Das Konzept der öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) bildet den Eckpfeiler für infrastrukturelle Weiterentwicklung und wurde in der Vergangenheit in Vietnam mit wechselhaftem Erfolg eingesetzt. Die PPP-Vereinbarungen waren rechtlich häufig umständlich und wurden im Vertrauen darauf geschlossen, dass sowohl die Regierung als auch der Investor ihren Teil der Vereinbarung einhalten würden. Mit der Einführung von CPTPP sowie EVFTA/IPA und dem neuen Investitionsgesetz in der Fassung der PPP 2020 hat sich das regulatorische Umfeld nun zu günstigeren Rahmenbedingungen dafür hin entwickelt, dass PPPs ein Fundament für Vietnams Entwicklung werden können.
Die Comprehensive and Progressive Trans-Pacific Partnership (CPTPP) trat für Vietnam am 14. Januar 2019 in Kraft und umfasst gegenwärtig die folgenden Mitgliedsstaaten: Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexico, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam. Darüber hinaus haben China, Ecuador, Taiwan und das Vereinigte Königreich einen Beitrittsantrag gestellt und warten auf dessen Bescheidung. Das EU-Vietnam-Freihandelsabkommen (EVFTA) trat am 01. August 2020 zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und Vietnam in Kraft.
Öffentliches Beschaffungswesen:
Vietnam hat eines der höchsten Verhältnisse von öffentlichen Investitionen zum BIP auf der Welt (39 Prozent pro Jahr seit 1995). Allerdings stimmte Vietnam bis zum EVFTA der Unterstellung seines öffentlichen Beschaffungswesens unter das Government Procurement Agreement (GPA) der WHO nicht zu.
Die Zusagen des Freihandelsabkommens beziehen sich im Hinblick auf das öffentliche Beschaffungswesen hauptsächlich auf die Verpflichtung, EU-Bieter oder einheimische Bieter mit EU-Investitionskapital mit vietnamesischen Bietern gleich zu behandeln, wenn die Regierung Waren kauft oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt, die einen bestimmten Schwellenwert übersteigen. Vietnam verpflichtet sich, die allgemeinen Grundsätze der Inländerbehandlung und Nichtdiskriminierung zu befolgen. Es wird Informationen über geplante Beschaffungen ebenso wie Informationen über erfolgte Vergaben in der Bao Dau Thau (Zeitung für das öffentliche Beschaffungswesen) und Informationen über das Vergabesystem rechtzeitig sowohl unter muasamcong.mpi.gov.vn als auch im Amtsblatt veröffentlichen. Außerdem wird es den Anbietern genügend Zeit einräumen, um ihre Angebote vorzubereiten und an den entsprechenden Ausschreibungen teilzunehmen, wobei die Vertraulichkeit der Angebote gewahrt wird.
Daneben verlangt das Freihandelsabkommen von seinen Vertragsparteien auch, die Angebote nach fairen und objektiven Prinzipien zu beurteilen und die Bewertung und Vergabe nur auf Grundlage der Bekanntmachungen und Ausschreibungsunterlagen vorzunehmen. Darüber hinaus haben sie ein wirksames Beschwerde- und Streitbeilegungsregelwerk zu schaffen. Diese Regelungen verlangen den Parteien ab, sicherzustellen, dass ihre Vergabeverfahren den übernommenen Verpflichtungen entsprechen und zugleich ihre eigenen Interessen schützen. Auf diese Weise helfen sie Vietnam, sein Problem zu lösen, dass Ausschreibungen von billigen aber qualitativ minderwertigen Dienstleistern gewonnen werden.
Streitbeilegung:
Ein oftmals übersehener, aber aus Investorensicht kritischer Aspekt bestand vor Inkrafttreten dieser Handelsabkommen im Streitbeilegungsverfahren. Im Allgemeinen blieb den meisten ausländischen Investoren vor CPTPP und EVFTA/IPA zur Klärung von Streitfragen lediglich die Anrufung vietnamesischer Gerichte.
Um die Interessen ausländischer Investoren zu schützen, ermöglicht es CPTPP nun ausländischen Investoren, ein Verfahren vor einem internationalen Schiedsgerichtszentrum einzuleiten, falls die Interessen ausländischer Investoren durch einen Mitgliedsstaat verletzt werden (z.B. Enteignung, Verstaatlichung, Mindeststandards einer fairen Behandlung…). Hiervon ausgenommen sind jedoch Streitigkeiten, die aus der Umsetzung von Zusagen oder Verpflichtungen aus Investitionsabkommen und Investitionsgenehmigungen resultieren.
Diese Aspekte sind auch im Investitionsschutzabkommen EU-Vietnam (EVIPA) geregelt. Das EVIPA ist ein Schwesterabkommen des EVFTA und muss noch von den Mitgliedsstaaten der EU ratifiziert werden, bevor es voraussichtlich 2023 in Kraft treten kann. Bei Streitigkeiten über Investitionen (z.B. entschädigungslose Enteignung oder Diskriminierung von Investitionen) kann ein Investor den Streitfall zur Beilegung vor das Investitionsschiedsgericht bringen. Um die Fairness und Unabhängigkeit der Streitbeilegung sicherzustellen, wird ein ständiges Schiedsgericht aus neun Richtern bestehen: je drei Staatsangehörige aus der EU und aus Vietnam sowie drei Staatsangehörige aus Drittländern. Die Fälle werden vor einer Kammer aus drei Richtern, die vom Präsidenten des Schiedsgerichts per Zufallsprinzip bestimmt werden, verhandelt werden. Auf diese Weise sollen auch einheitliche Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen gewährleistet werden, um so die Streitbeilegung berechenbarer zu machen. Das EVIPA ermöglich auch die Verhandlung vor einem Einzelrichter, wenn der Kläger entweder ein kleines oder mittleres Unternehmen ist oder der beantragte Schadensersatz vergleichsweise gering ausfällt. Wenn man sich vor Augen führt, dass Vietnam noch immer ein Entwicklungsland darstellt, so ist dies ein bemerkenswert flexibler Ansatz.
Falls eine der streitenden Parteien mit der Entscheidung des Schiedsgerichts nicht einverstanden sein sollte, so kann sie das Berufungsschiedsgericht anrufen. Wenngleich sich dieses Vorgehen von einem üblichen Schiedsverfahren unterscheidet, ähnelt es doch sehr dem zweistufigen Streitbeilegungsmechanismus der WHO (Panel und Berufungsgremium). Wir glauben, dass dieser Mechanismus Zeit und Geld für das gesamte Verfahren sparen könnte.
Der endgültige Vergleich ist bindend und von den örtlichen Gerichten hinsichtlich seiner Gültigkeit vollstreckbar – eine fünfjährige Übergangsphase nach Inkrafttreten des EVIPA ausgenommen (siehe auch die weiteren Ausführungen im Kapitel über gerichtliche und schiedsgerichtliche Rechtsmittel des Ausschusses für den Rechtsbereich).
Vietnams andere besondere Zusagen aus der CPTPP:
Im Hinblick auf Telekommunikationsdienste: Die Erlaubnis für CPTPP-Mitgliedsländer zur Gründung von Joint Ventures mit einer Kapitalbeteiligung von nicht mehr als 49 % für grundlegende Telekommunikationsdienste, die an die Netzinfrastruktur angeschlossen sind. Bei Mehrwert schaffenden Telekommunikationsdiensten, die an die Netzinfrastruktur angeschlossen sind, kommen wir überein, nach Ablauf von fünf Jahren seit Inkrafttreten des Abkommens die Gründung eines Joint Ventures mit einer 65 % nicht übersteigenden Kapitalbeteiligung zuzulassen. Im Hinblick auf Dienste, die nicht an die Netzinfrastruktur angeschlossen sind, erlauben wir nach Ablauf von fünf Jahren seit Inkrafttreten des Abkommens, CPTPP-Mitgliedsländern mit 100 % ausländischem Kapital zu investieren und Unternehmen zu gründen.
Vietnams andere besondere Zusagen aus dem EVFTA:
Bezüglich Ingenieursdienstleistungen (CPC 8672) und integrierter Ingenieursdienstleistungen (CPC 8673): Gewerbliche Niederlassungen, die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit topografischen, geotechnischen, hydrogeologischen und umweltbezogenen Vermessungen sowie technische Vermessungen für die städtische und ländliche Entwicklungsplanung bedürfen der Genehmigung durch die Regierung von Vietnam.
Im Hinblick auf das Bauwesen und verwandte Ingenieursdienstleistungen (CPC 514-518): Die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen ist vollständig offen und ausländische Investoren können ihre Filialen in Vietnam eröffnen, wobei allerdings der Leiter einer jeden Filiale in Vietnam ansässig sein muss.
Sollte Sie Fragen haben oder sich für weitere Einzelheiten zu den oben aufgeführten Aspekten interessieren, zögern Sie bitte nicht, Dr. Oliver Massmann unter omassmann@duanemorris.com zu kontaktieren. Dr. Oliver Massmann ist der Generaldirektor von Duane Morris Vietnam LLC.