Rechtsanwalt in Vietnam Oliver Massmann Die wichtigste Regelung in Verträgen in Vietnam – Schiedsgerichtsklauseln richtig eingesetzt

1. Warum Schiedsgerichtsklauseln?
Dieser Artikel soll ausländischen Unternehmen die Notwendigkeit von Schiedsgerichtsklauseln vor Augen führen und eine Hilfestellung bei der Auswahl der in Frage kommenden Alternativen zur vietnamesischen Gerichtsbatrkeit darstellen.
Nachteile der ordentlichen Gerichtsbarkeit
Verträge in Nordamerika und Europa regeln zumeist en detail die Pflichten der Parteien und ihre Klauseln werden sorgfältig auf ihre Wirksamkeit geprüft. Die rechtliche Durchsetzbarkeit solcher Verträge vor den Gerichten wird regelmäßig als gegeben angesehen.
Verträge von Investoren mit vietnamesischen Vertragspartnern oder einem Bezug zu Vietnam, der eine vietnamesische gerichtliche Zuständigkeit begründen kann, sollten jedoch immer die hier entscheidende Frage regeln, welcher Spruchkörper unter Anwendung welchen nationalen Rechts und in welcher Sprache im Streitfall zuständig wird.
Ohne Schiedsgerichtsklausel ist der Rechtsweg zu den vietnamesischen Gerichten eröffnet. Die beteiligten Parteien müssen sich aber über die Besonderheiten vietnamesischer Gerichte gegenüber westlichen rechtsstaatlichen Gerichten im Klaren sein. Laut Transparency International besteht das Risiko korrumpierter Urteile fort, und knapp ein Fünftel der befragten vietnamesischen Haushalte mit Kontakt zu Gerichten gab an, bereits Bestechungsgelder bezahlt zu haben (Global Corruption Barometer 2011). Viele Unternehmen lehnen daher die vietnamesische Gerichtsbarkeit ab, da sie die Existenz von Bestechungsgeldern abschreckt (Global Integrity 2011; USAID’s Vietnam Provincial Competitiveness Index 2011). Neben des somit leider noch nicht ausschließbaren Korruptionsrisikos kämpft die vietnamesische Justiz trotz ernsthafter Verbesserungsbemühungen noch mit weiteren Problemen: Nach einer Studie des US-Außenministeriums aus 2012 haben viele vietnamesische Richter keine ausreichende Ausbildung und verdanken ihre Stellen persönlichen Kontakten zu Parteikadern oder ihren politischen Ansichten. Die Abhängigkeit der Justiz von Partei und Bestechungsgeldern wird durch extrem niedrige Richtergehälter und kurze Amtszeiten von fünf Jahren, nach denen eine erneute Ernennung erfolgen muss, verstärkt. Hinzu kommt das systemische Problem, dass sich Rechtsstaatlichkeit und ein Einparteiensystem mangels faktischer Gewaltenteilung gegenseitig ausschließen (Andersson 2012). Der Begriff Rechtsstaatlichkeit bedeutet in seiner vietnamesischen Übersetzung eher Regeln des Staates, folglich also der kommunistischen Partei, die die Geschicke des Einparteienstaates ausmacht. Demgemäß muss davon abgeraten werden, mögliche Streitfälle zwischen den Vertragsparteien der vietnamesischen Justiz anzuvertrauen, da noch immer mit der Möglichkeit politischer Einflussnahme, gekauften oder überforderten Richtern gerechnet werden muss. Ein weiterer nicht landesspezifischer Nachteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit und in Rechtsstaaten regelmäßig der Hauptgrund für Schiedsgerichtklauseln ist für viele Geschäftsbeziehungen der Öffentlichkeitsgrundsatz, der in delikaten Angelegenheiten Vertragsparteien zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung zwingen kann.
Vorteile von Schiedsgerichten
Schiedsgerichte bieten, sofern sie sorgfältig ausgewählt werden, Unabhängigkeit in der Entscheidung und fachliche Kompetenz. So kann bereits für den Streitfall eine Auswahl möglicher Schiedsrichter getroffen werden, wodurch die Akzeptanz einer möglichen späteren Entscheidung deutlich vergrößert werden kann. Bei der Auswahl des Schiedsrichters (oder gegebenenfalls einer Mehrzahl von Schiedsrichtern) sollte je nach Geschäftszweig auf eventuell erforderliche fachliche Eignung für Streitfälle des jeweiligen Geschäftsfeldes geachtet werden. So verfügt jede in Frage kommende Schiedsgerichtsstelle über die entsprechenden Fachleute.
2. Welches Schiedsgericht?
Ein entscheidende Weichenstellung bei jeder Schiedsgerichtsklausel in Vietnam ist die Frage, ob ein vietnamesisches Schiedsgericht wie etwa der Vietnamese Arbitrational Court (VIAC) oder ein offshore Schiedsgericht im Ausland wie etwa der Singapore Arbitrational Court (SIAC) im Streitfall befasst werden soll. Die folgenden Faktoren sollten bei dieser Frage anhand einer Gesamtabwägung berücksichtigt werden:
Projektgröße
Bei Großprojekten mit einem Volumen ab ca. $5M als grober Richtwert empfiehlt sich grundsätzlich die Wahl eines internationalen Schiedsgerichts. In dieser Größenordnung dürfte das Problem des Kostendrucks (siehe unten) zu vernachlässigen sein. Die Entscheidung eines internationalen Spruchkörpers wird bei Großprojekten auch eher von den Parteien anerkannt werden, da nicht hinreichende Fachkompetenz der Schiedsrichter und die (entfernte) Möglichkeit politischen Drucks auf vietnamesische Schiedsrichter weitgehend ausgeschlossen sind.
Belegenheit pfändbarer Vermögensgegenstände – Vollstreckungsrisiken ausländischer Schiedssprüche
Ein weiterer bedeutender Faktor ist der Belegenheitsort von Vermögensgegenständen des Vertragspartners, in die im Rahmen der Durchsetzung des Schiedsspruches vollstreckt werden kann. Befinden sich diese weitgehend in Vietnam, muss bei einer Entscheidung eines ausländischen Schiedsgerichtes ein ausländischer Schiedsspruch in Vietnam vollstreckt werden, was gegenüber einem inländischen Schiedsspruch nachteilig ist. Zwar ist Vietnam 1995 dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 (NYC) beigetreten, so dass ausländische Schiedssprüche der 149 Vertragsstaaten grundsätzlich vollstreckt werden können. Zum einen besteht aber die Gefahr der Verzögerung, denn neben einem Vollstreckungsantrag beim Justizministerium sind unter Umständen weitere Erklärungen sowie eine Anhörung erforderlich, die zu einer Entscheidung führt, gegen die die Berufung statthaft ist. Zum anderen besteht die Gefahr, dass das befasste vietnamesische Vollstreckungsgericht den Schiedsspruch ablehnt. Nach Artikel V der NYC ist dies im Falle einer Verletzung des nationalen ordre public durch den Schiedsspruch zulässig. Die vietnamesische Zivilprozessordnung hat dies mit „Grundprinzipien der Vietnamesischen Gesetze“ übersetzt, und die vietnamesische Justiz hat diesen Ausnahmetatbestand recht breit angewendet (Tam Shu Ching et al. 2012); in einem Fall etwa auf der Grundlage, dass einem vor dem Schiedsgericht siegreichen Investor eine Baugenehmigung gefehlt hat (Tyco Services Singapore Pte Ltd v Leighton Contractors Vietnam).
Kostendruck
Die unterschiedlich hohen Kosten von on- und offshore arbitration müssen mitbedacht werden. Für einen Streitwert von jeweils $4M mit nur einem Schiedsrichter fallen vor dem VIAC etwa Schiedsgerichtskosten von ca $62000 an, die vor dem SIAC mit etwa $117000 beinahe in doppelter Höhe anfallen. Wirtschaftlich noch bedeutender dürften aber die Folgekosten von offshore arbitration sein. Reisekosten für Parteien, Zeugen und Anwälte fallen an. Stundensätze von Anwälten am Ort des internationalen Schiedsgerichts übersteigen die in Vietnam üblichen Sätze oft deutlich (Shouzhi et al. 2009), gleiches gilt für Gutachten und sonstige Fachleute. Die Gefahr eines besonders kostspieligen Rechtsstreits kann weniger liquide Unternehmen unter den Druck setzen, zu dessen Vermeidung auch an sich nachteilige Vergleiche zu schließen. Für weniger finanzstarke Unternehmen kann daher die günstigere onshore arbitration vorteilhaft sein.
Komplexität und Spezialität von Vertragsgegenstand und möglichen Streitpunkten
Vietnamesischen Schiedsgerichten wie dem VIAC kann allgemein eine hohe juristische Kompetenz zugesprochen werden. Noch sind jedoch keine international annerkannten Experten unter den verfügbaren Schiedsrichtern, was seine Ursache in den vergleichsweise niedrigen Honoraren der Schiedsrichter hat. Hochkomplexe oder besonders spezielle Geschäfte haben daher mehr Aussicht auf einen von beiden Seiten anerkannten Schiedsspruch, wenn sie von teureren ausländischen Schiedsrichtern mit der entsprechenden Expertise entschieden werden.
(versteckte) Staatsunternehmen
Geschäfte mit Staatsunternehmen (state owned enterprise, SOE) werden vorzugsweise einer offshore-Schiedsgerichtsklausel unterstellt. Damit ist gewährleistet, dass die befassten Schiedsrichter jeder obrigkeitlichen Einflussnahme durch die andere Partei entzogen sind. In der Theorie besteht zwar das Folgeproblem der Vollstreckung innerhalb Vietnams. Die bisherige Entwicklung hat aber gezeigt, dass ein positiver Schiedsspruch in dieser Situation – wenn er auch evtl. praktisch nicht vollstreckbar ist – jedenfalls die Verhandlungssituation des Investors gegenüber dem Vertragspartner ungemein stärkt.
Gleiches gilt für Verträge mit „versteckten Staatsunternehmen“. Das sind Unternehmen, die de facto unter staatlichem Einfluß stehen, z.B. durch Anteilseigentum von Tochterfirmen anderer Staatsunternehmen. Die „Staatsunternehmenseigenschaft“ ist daher sorgfältig zu prüfen.
Sonderfall: Geistiges Eigentum
In bestimmten Fällen sollte in Verträgen, die geistiges Eigentum betreffen, sichergestellt werden, dass keine behördlichen Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine Schiedsgerichtsklausel abgeschnitten werden. Zwar sind nach dem LCA einstweilige Maßnahmen durch Schiedsgerichte grundsätzlich möglich. Unter Zuhilfenahme kompetenten Rechtsrates sollte aber jeweils im Einzelfall dort eine etwaige Öffnungsklausel in Betracht gezogen werden, wo vietnamesische Gerichte oder Behörden wie das Market Management Bureau effektiven einstweiligen Rechtsschutz bieten können.

Wahl des Rechtsweges

Vietnamesische Gerichtsbarkeit onshore Schiedsgericht
bei Vietnam International Arbitration Center (VIAC) offshore Schiedsgericht
generell abzuraten Projektgröße unter $5M Projektgröße über $5M
nur in Sonderfällen sind ggf. Öffnungsklauseln in einer Schiedsgerichtsklausel in Betracht zu ziehen:
z.B. Zulässigkeit von Rechtsbehelfen des einstweiligen Rechtsschutzes etwa durch das Market Management Office in Fällen, die geistiges Eigentum betreffen pfändbare Vermögensgegenstände des Vertragspartners befinden sich hauptsächlich in Vietnam pfändbare Vermögensgegenstände des Vertragspartners sind (auch) im Ausland vorhanden
geringere Komplexität der Materie höhere Komplexität der Materie
Vertrag betrifft allgemeinere Rechtsgebiete, z.B. Kaufrecht Vertrag betrifft Rechtsgebiete, die einen Schiedsspruch durch hochspezialisierte Fachleute erfordern
Vertragspartner ist kein (verstecktes) Staatsunternehmen Vertragspartner ist ein (verstecktes) Staatsunternehmen
eher geringe eigene Finanzstärke, Gefahr von Kostendruck hohe Finanzstärke, Kostendruck stellt keine Gefahr dar
keine Schiedsgerichtsklausel erforderlich Schiedsgerichtsklausel erforderlich! Schiedsgerichtsklausel erforderlich!

3. So wird’s gemacht
Das vietnamesische Recht lässt durch das vietnamesische Schiedsgerichtsgesetzes (Law 54/2010/QH12 on Commercial Arbitration, „LCA“) ausdrücklich Schiedsgerichtsvereinbarungen in handelsrechtlichen Verträgen zu. Durch eine wirksame Schiedsgerichtklausel wird nach Art. 6 LCA den vietnamesischen Gerichten die Entscheidungskompetenz über den entsprechenden Fall entzogen und ausschließlich dem jeweiligen Schiedsgericht zugesprochen. Das vietnamesische Gesetz folgt hinsichtlich der Verfahrensordnung weitgehend der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung als internationalem Standard, und seine gesetzgeberische Intention ist durchaus schiedsgerichtsfreundlich.
Wenn die Entscheidung getroffen wurde, dass und wo ein Schiedsgericht über mögliche aus dem Vertrag resultierenden Streitigkeiten entscheidet, sollten noch folgende Punkte geklärt werden:
 Rechtswahl: Das anzuwendende materielle Recht kann nach Art. 14 Nr. 2 LCA in Streitfällen mit Auslandsbezug frei gewählt werden. Die Rechtswahl ist auch entscheidend für die Auswahl der Schiedsrichter

 Gerichtssprache: Die Sprache des schiedsgerichtlichen Verfahrens kann nach Art. 10 Nr. 2 LCA in Streitfällen mit Auslandsbezug frei gewählt werden.

 Anzahl der Schiedsrichter: Mehrere Schiedsrichter können als kollegialer Spruchkörper u.U. ausgewogenere Entscheidungen treffen. Die Verfahrenskosten steigen jedoch entsprechend.

 falls Spezialisten erforderlich sind: Person des Schiedsrichters.
Die Klausel wird wirksam, wenn sie die Voraussetzungen der Art. 16, 18 und 19 LCA erfüllt, also insbesondere schriftlich und in wirksamer Stellvertretung geschlossen wird.
Fazit
Die Frage einer Schiedsgerichtsklausel ist für Verträge in Vietnam gegenwärtig mit einem klaren ja zu beantworten. Schwieriger ist die Entscheidung, wo das Verfahren stattfinden soll, da eine Reihe von Faktoren sorgfältig abgewogen werden muss. Es bleibt zu hoffen, dass das schiedsgerichtsfreundliche LCA von 2010 in der Praxis hält, was es verspricht, und die vietnamesische Justiz in- und ausländische Schiedsgerichtsurteile zuverlässig vollstreckt. Dies wäre zugleich das richtige Signal, um die Vorbehalte ausländischer Investoren weiter zu zerstreuen.

Falls Sie Fragen zu den hieraufgeführten Inhalten haben sollten, wenden Sie sich bitte an den Autor, Oliver Massmann, unter omassmann@duanemorris.com.

Oliver Massmann is the General Director of Duane Morris Vietnam LLC.

Interested in Vietnam: visit: www.vietnamlaws.xyz

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